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Mit Substitut in den Urlaub! – Oder auch nicht!

Es ist Urlaubszeit und viele gehen jetzt in die Ferien. Eingepackt wird alles was Mensch so braucht. Abgesehen von Kosmetik und Kleidung, natürlich auch Medikamente!

So weit, so gut, so easy???

Nein, nicht ganz!

Wer mit Medikamenten behandelt wird, die unter das BtMG fallen, muss einiges beachten, bevor es in den Urlaub gehen kann.

Wer seinen Urlaub in eines der Länder des Schengener Abkommens unternehmen will, braucht eine vom behandelnden Arzt ausgefüllte Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Diese Bescheinigung ist vor Antritt der Reise durch die oberste Landesgesundheitsbehörde oder eine von ihr beauftragte Stelle zu beglaubigen und muss während des gesamten Urlaubs mitgeführt werden.

Für Reisen in andere Länder, sollte sich der Patient vom verschreibenden Arzt auf Empfehlung des Internationalen Suchtstoffkontrollamtes (INCB) eine mehrsprachige Bescheinigung ausstellen lassen. Oft gibt es diese Bescheinigung nur gegen Entgelt.

Dies alles betrifft Substitutionspatienten im Besonderen, die wie viele andere auch mit ihren Familien, mit ihren Freunden oder auch alleine mal in den Urlaub gehen möchten.

Einfach wird es ihnen nicht gemacht, denn wie der restliche Bereich der Substitutionsbehandlung, ist auch dieser Teil völlig über reguliert. Da passt „ein Urlaub“ des Patienten, so gar nicht ins Konzept.

Das Substitutionsmittel muss normalerweise von dem Patienten täglich in der Arztpraxis oder in der Apotheke unter Aufsicht eingenommen werden. So jedenfalls stellt sich das der Gesetzgeber vor.

Aufgrund solcher Über-Regulierung ist Urlaub für Substitutionspatienten nur unter der Voraussetzung möglich, dass eine kontinuierliche, in der Regel tägliche Einnahme der Medikamenten Dosis auch am Urlaubsort gewährleistet ist.

Wer also in den Urlaub gehen will, muss sich vorab einen Arzt am Urlaubsort suchen und ggf. auch eine Apotheke.

Realität ist …

Nicht an jedem Ort in der Welt gibt es einen Substitutionsarzt und genauso wenig findet sich an jedem Ort eine Apotheke, die Substitutionsmedikamente bestellen bzw. vorrätig halten will.

Das ist nicht einmal in Deutschland gesichert.

Eine Substitutionsbehandlung gibt es auch nicht in allen Ländern und für die Einfuhr der Substitutionsmittel gelten je nach Staat sehr unterschiedliche Voraussetzungen.

Um einiges einfacher wird die Urlaubsplanung, wenn ein Patient das (Substitutions-)Medikament im Rahmen der TakeHome Regelung eigenständig einnehmen darf.

Medikamente einfach einpacken, geht aber auch für einen TakeHome Patienten nicht, denn Substitutionsmedikamente fallen unter das BtMG (Betäubungsmittelgesetz) und dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen, also bestimmungsgemäß mit geführt werden. Das bedeutet u. a. im Falle von flüssigem Polamidon oder Methadon, dass jede einzelne Tagesdosis in einem etikettierten, kindergesicherten Fläschchen mitgeführt werden muss.

Für Take Home Patienten, die normalerweise bis zu 7 Tage ihre Medikamente mit nach Hause bekommen, ist es sicher einfacher, aber grundsätzlich, besteht für jeden Substitutionspatienten, die Möglichkeit die gesetzlich erlaubte Anzahl des (Substitutions-)Medikaments (im Jahr) mit ins Ausland zu nehmen

Das aber auch nur, wenn die üblichen Take-Home-Voraussetzungen vorliegen. Außerdem dürfen diese Verschreibungen die Menge für 30 Tage innerhalb eines Jahres  (nicht Kalenderjahr!) nicht überschreiten. Und der Arzt muss jede Verschreibung von mehr als 7 Tagen, unverzüglich der zuständigen Landesbehörde anzeigen.

Nicht jeder kann (oder will) 30 Tage am Stück in Urlaub gehen.

Die Gesamtmenge des Medikaments kann auch aufgeteilt werden, wenn jemand mehrfach in Urlaub gehen möchte (z. B. 2 x 15 Tagesdosen oder 3 x 10 Tagesdosen).

+++ Das gilt nur für das Ausland! +++

Hier findet ihr jede Menge Informationen zur Substitutionsbehandlung wie auch zum Reisen ins Ausland:

http://www.indro-online.de/indexmethadon.htm

+++ Für Ferien in Deutschland müssen sich Patienten am Urlaubsort einen Arzt (ggf. auch noch eine Apotheke) suchen! – Das gilt auch für TakeHome Patienten bei einer Urlaubsreise in Deutschland von mehr als 7 Tagen! +++

Ein Wanderurlaub hierzulande dürfte für Nicht-TakeHome Patienten unter solchen Bedingungen fast unmöglich sein, denn in Deutschland verschlechtert sich die Versorgungssituation in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend.

Bundesweit gibt es Jahr für Jahr immer weniger Substitutionsärzte. Und das, trotzdem jedes Jahr Hunderte Ärzte die notwendige Zusatzqualifikation absolvieren und substituieren könnten.  Doch die Bereitschaft der Ärzteschaft, Substitution in der eigenen Praxis anzubieten, ist vor allem aufgrund der rechtlichen Situation rückläufig. Das bedeutet, dass mit dem zunehmenden Altersdurchschnitt der Substitutionsärzte und abnehmender Bereitschaft der jungen Mediziner, die Versorgung der Substitutionspatienten zu übernehmen, bestehende Substitutionsplätze einfach wegfallen, sobald ein Arzt in den Ruhestand geht.

Die bereits prekäre Versorgungssituation der Patienten wird sich demnach in den kommenden Jahren weiter verschärfen, wenn nicht von Seiten der Regierung endlich effektiv gegengesteuert wird. Das könnte sie mit einer umfassenden Reform der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) erreichen, die sich entgegen der bestehenden Fassung, am Stand der wissenschaftlichen Forschung orientiert und die Behandlung der Patienten nicht behindert.

Nicht nur bezogen auf die Anforderungen für Urlaubsreisen, sondern auch in Hinsicht auf das Gesamt-Paket „Substitution“, wünschen sich nicht nur die Patienten und ihr Umfeld, endlich Normalität,  sondern ebenso die behandelnde Ärzteschaft.

Um endlich mehr von dieser ersehnten Normalität in der Substitutionsbehandlung zu erreichen, hat die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) bereits 2012 eine Initiative zur Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) ins Leben gerufen. Und das mit Aussicht auf Erfolg!

In den vier Jahren seit die Initiative gestartet wurde, kam es immer wieder zu Verzögerungen, doch mittlerweile kommt Reformwilliges Feedback von Sozial- und Gesundheitspolitikern aller Parteien aus Bund und Ländern. Selbst die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat sich im positiven Sinne für die Reform ausgesprochen.

Die Lörracher PIRATEN begrüßen die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) als einen Schritt in die richtige Richtung. Doch bis es soweit ist, könnten nochmals ein oder zwei Jahre vergehen. Ob es dann wenigstens entspannter in den Urlaub geht? Wir werden sehen! Doch von Normalität kann niemand sprechen, solange Substitutionspatienten keine freie Arzt- und Medikamentenwahl haben.

 


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