Kommentar von Sabin Schumacher, Themenbeauftragte für Drogen- und Suchtpolitik der Piratenpartei Landesverband Baden-Württemberg zu den 21. Suchttherapietagen in Tübingen (April 2016)
Unter dem Titel „Herausforderungen und Chancen der Suchttherapie “ wurden vom 6. – 8. April i. d. Jahr in Tübingen die 21. Suchttherapietage veranstaltet.
Über 250 Wissenschaftler und Praktiker aus der Medizin, Pharmakologie, Psychologie, des Sozialwesens und der Justiz diskutierten über alte und neue Herausforderungen, darunter die gesundheitlichen Auswirkungen von E-Zigaretten, die medizinische Versorgung von Flüchtlingen, aber auch die Legalisierung von Cannabis und dessen Ablehnung.
Vor allem Referent Rainer Thomasius, Redakteur von „Sucht“, seinesgleichen auch Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen im Kindes- und Jugendalter und Leiter im Bereich Suchtstörungen in der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, ist ein bundesweit bekannter Gegner der Legalisierung von Cannabis hierzulande.
Sabin Schumacher: „Das Fazit des Kinder – und Jugendpsychiaters, womit dem Ergebnis nach die meisten Kongressteilnehmer mit ihm gleichziehen, scheint laut dem „Reutlinger General Anzeiger“ eindeutig, denn er schließt eine Liberalisierung oder gar Legalisierung von Cannabis für Deutschland aus. Zudem ist er überzeugt, dass der generalpräventive Effekt des Betäubungsmittelgesetzes sichtbar sei, trotzdem in Deutschland Cannabis-Konsumenten Tag für Tag, oft schon im Jugendalter, um ihre Existenz bangen müssen, z. B. wenn ihnen aufgrund der Kriminalisierung ein Entzug der Fahrerlaubnis oder auch ein Eintrag in das Führungszeugnis droht.
Grundsätzlich sollte ein Fahrer natürlich nicht unter der Beeinflussung von psychoaktiven Substanzen am Straßenverkehr teilnehmen. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmer, selbst für Fußgänger! Dennoch muss berücksichtigt werden, dass es Menschen gibt, denen das Führen eines Fahrzeuges nur unter psychoaktiven Substanzen möglich ist. Wollen wir an Moralvorstellungen festhalten, denen es an jeglicher wissenschaftlicher Grundlage fehlt, nur um andere, z. B. an Parkinson oder Torret Erkrankte noch weiter einzuschränken? Oder um andere Mitmenschen zu bevormunden?
Wer den Einzelnen als auch die Gesellschaft schützen will, erreicht dies nicht durch Repression. Die bisherige, repressive, vorwiegend auf Abstinenz abzielende Drogenpolitik ist gescheitert und hat zu einem „unkontrollierbaren Schwarzmarkt ohne Jugend- und Verbraucherschutz“ geführt. Grundlage risikobewussten, hedonistischen Verhaltens ist das Wissen über Wirkung, Nebenwirkung und mögliche gesundheitliche Schäden nicht nur von illegalisierten Genussmitteln, sondern von allem, was in irgendeiner Weise zur Sucht führen kann. Dieses Wissen muss von Kindheit an vermittelt werden. Nur wer seine Bedürfnisse zu reflektieren und Gruppenzwang zu widerstehen gelernt hat, kann selbstbewusst und selbstbestimmt genießen. Die Piratenpartei steht für eine repressionsfreie Drogenpolitik und will ein Ende der gescheiterten Prohibition. Die aktuelle, wissenschaftlich nicht haltbare Unterscheidung in legale und illegale Stoffe ist abzulehnen. Ich selbst sage, dass wir eine objektive Bewertung von psychoaktiven Substanzen im Kontext der individuellen Konsummotivation zu Grunde legen müssen.
Von daher und unter dem Aspekt, dass es sich dabei um Menschen vom Fach handelt, ist die ablehnende Haltung der Kongressteilnehmer zum Thema bedauerlich.
In der Hanfpflanze steckt viel Potential. Das wird seit einiger Zeit wieder entdeckt. Weltweit und nicht nur im medizinischen Bereich.
Dabei erkennen immer mehr Staaten, dass der Krieg gegen die Drogen, real gesehen Krieg gegen die Menschen ist. Nicht nur bei uns, in vielen Teilen der Erde, vor allem in Gebieten von Anbau und Herstellung, sterben täglich Menschen im Krieg gegen die Drogen. Und das, weil Regierungen, auch die Deutsche, nicht bereit sind diesen Markt zu regulieren. Stattdessen wird er mafiösen Strukturen überlassen. Die Entkriminalisierung der Konsumenten, einhergehend mit einer Legalisierung illegaler psychoaktiver Substanzen (IPS), könnte viele Leben retten. Portugal entschied bereits vor mehr als einem Jahrzehnt, Konsumenten grundsätzlich nicht mehr unter Strafe zu stellen und kann hier als positives Beispiel genannt werden. Die Ergebnisse sprechen für sich. Eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland würde nicht alles lösen, wäre aber ein Meilenstein auf dem Weg und im Gesamten ein Schritt in die richtige Richtung.“