Gegen es ein gut umgesetztes technisches Verfahren, heißt eine Technik, welche die digitale Unversehrtheit und damit die Grundrechte ihrer „freiwilligen“ User_innen als auch die von Dritten wahrt, dagegen wäre, ausgehend von einer Datenschutz affinen Digital-Gesellschaft nichts einzuwenden.
Eine Gesellschaft die es so noch nicht gibt. Deswegen sehen wir die aktuell bejahende Diskussion, ob versucht werden soll, mittels Handyortung, die Infektionswege der Coronapandemie nachzuvollziehen sehr kritisch!
Wir finden es nicht in Ordnung, dass suggeriert wird, …
– es sei möglich, so eine Technik datenschutzkonform zu realisieren, wo doch faktisch belegt ist, dass bisherige Versuche mit gegenteilig lautenden Ergebnissen endeten.
– es gäbe durch den Einsatz einer Tracking-App mehr Sicherheit vor einer Ansteckung.
– es sei sinnvoll, eine Diskussion über eine Überwachungstechnik zu führen, deren Nutzen zur Eindämmung des Virus mehr als fraglich ist.
Deshalb stellen wir uns vehement gegen den Einsatz einer Corona-Tracking-App!
„Was wäre, wenn die Pandemie 20 Jahre früher gekommen wäre? Dann wäre auch nichts mit Tracking gewesen! Wir erreichen mehr, wenn wir die Menschen dafür sensibilisieren sich in ihrem Umfeld an Abstands- und Hygieneregeln zu halten und wenn sie in der Folge auch andere dazu motivieren. Sinnvoller als eine tagelange Diskussion über eine Tracking-App, die am Ende nicht funktioniert, weil es mit dem Datenschutz nicht klappt, wäre es finanzielle Mittel für Maßnahmen bereitzustellen von denen wir wissen, dass sie funktionieren“, meint Sabin Schumacher, Vorsitzende der PIRATEN Bezirksverband Freiburg.
Anlass der Diskussion sind laienhafte Fallzahlen-Vergleiche in Verbindung mit Maßnahmen, die in Singapur und Südkorea ergriffen wurden.
Beide Länder haben eine Tracking-App als Maßnahme ergriffen. Bezogen auf die Lage in Deutschland, wird deren Wert zur Virus-Eindämmung aber maßlos überschätzt. Die vergleichsweise positive Situation in Südkorea ist z. B. auf eine Reihe unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen, angefangen mit der geografischen Lage als Halbinsel und der deutlich leichteren Abgrenzung im Falle einer Quarantäne.
Hinzu kommen außergewöhnlich hohe Standards in der medizinischen Grundversorgung und ein besonders hohes Bewusstsein für Hygiene und Gesundheitsschutz in der Bevölkerung. Das Tragen von Atemschutzmasken ist auch in normalen Zeiten in vielen asiatischen Ländern weit verbreitet. Ein weiterer Faktor ist die digitale Infrastruktur, die anders als in Deutschland in beiden Ländern flächendeckend ausgebaut ist. Singapur ist zudem tropisch geprägt und befindet sich deshalb nicht in einer Temperaturphase in der sich Infektionskrankheiten besonders stark ausbreiten können wie derzeit in Deutschland mit der allwinterlichen Grippesaison.
Technisch ergibt eine Ortung mittels Handydaten keinerlei Sinn.
Zunächst einmal gibt es das grundlegende Problem, dass die damit generierte Karte grundsätzliche Lücken aufweist in Form von Funklöchern und Überträgern die kein eingeschaltetes Handy mit sich führen, die das Bild deutlich verfälschen und fehlerhafte Analysen verursachen würden. Darüberhinaus sind aber selbst im Idealzustand keine Ortungen möglich, die genau genug wären, um ein Unterschreiten der empfohlenen 1,5m Mindestabstand zu identifizieren.
„GPS als genaueste Variante der Ortung funktioniert zuverlässig nur mit einer Genauigkeit von circa 5 Metern[1]. Das sieht man sehr schön, wenn man das Handy als Navi auf dem Fahrrad nutzt und beim Passieren einer Brücke mehrmals neue Anweisungen erhält, wo man langfahren muss. Daten die den Providern tatsächlich zur Verfügung stehen, begnügen sich sogar mit deutlich größerer Ungenauigkeit[2]“, so Stephan Erdmann, stellvertretender Vorsitzender BzV Stuttgart Piratenpartei.
Eine andere technische Variante, die aktuell diskutiert wird, betrifft eine gegenseitige Abstandsmessung mittels der Bluetoothfunktionalität von Handys. Hierbei führen Kontaktlücken, wenn kein Handy mitgeführt wird oder die Funktionalität deaktiviert ist, zu falschen Ergebnissen, so dass auch auf so eine Variante kein Verlass ist. Desweiteren sind solche Nahbereichsortungen keine neue Technologie, sondern eine Technologie, die bereits oft versucht wurde und bislang sich als unbrauchbar herausgestellt hat.
„Wir haben etwa ein Jahr lang so ein Verfahren mal im Unternehmen getestet. Das Ziel war eine datenschutzkonforme Möglichkeit zur Ortung unserer Baustellengeräte zu finden. Während des Testlaufs waren Bluetoothtransponder fest auf die Geräte verklebt, welche über die App eines nahmhaften Geräteherstellers entdeckt und identifiziert werden sollten. Im weiteren sollten die damit verknüpften, aktuellen GPS Koordinaten des Handys, anonymisiert in einen von uns dafür bereitgestellten Cloudbereich übertragen werden. Das Ergebnis war ernüchternd. Auch nach einem Jahr Einsatz mussten wir noch feststellen, dass selbst unter Idealbedingungen nur sehr unzuverlässige Ergebnisse geliefert wurden. Selbst wenn wir das Handymodell, den verbauten Bluetoothchip, die Aktualität von Firmware und Apps festlegen konnten, haben wir Geräte, die bereits seit Wochen nebeneinander im Regal lagen, mit Minuten, Stunden oder gar Tagen an unterschiedlicher Aktualität der Ortung erlebt“, so Stephan Erdmann.
Dieser grundsätzlich sehr zweifelhafte Nutzen, steht einem eklatanten Eingriff in die Grundrechte der Bürger gegenüber, die durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) festgeschrieben sind. Die hier entstehenden Bewegungsprofile sind kaum pseudonymisierbar, geschweige denn anonymisierbar gemäß der Aufgabenstellung zur Identifizierung der Kontakte.
Es bleibt möglich die Daten bezüglich Vorlieben und Verhaltensweisen auszuwerten.
„Auch wenn die Nutzung der nun angedachten Lösung für einer Trackingapp auf Bluetoothbasis, auf Freiwilligkeit basieren soll, so wird damit etabliert, dass es nicht so schlimm sei sich derart zu entblößen. Zumal kaum anzunehmen ist, dass dies dauerhaft freiwillig und anonym bleibt. Insbesondere dann nicht, wenn sich die Regierung gezwungen sieht die Maßnahmen zu verlängern. Auch das wirtschaftliche Interesse an diesen Datenbergen wird zunehmen. Statt zu suggerieren, eine Tracking-App könnte der Heilsweg in der COVID-19-Krise sein, wäre es sinnvoller, die Bundesregierung würde sich z. B. auf die Beschaffung von Schnelltests konzentrieren, damit diese in Deutschland für zeitnahe Ergebnisse schnell zum Einsatz kommen können. Mindestens genauso dringend wäre die personelle Aufstockung unserer Gesundheitsämter samt Optimierung auf digitale und vereinfachte Arbeitsabläufe.
Das wäre eine Entlastung der Stellen und Mitarbeiter_innen, die derzeit Verdachtsfälle per Fax-Formular erhalten. und die Daten händisch übertragen müssen. Digitalisiert würden die Arbeitsprozesse zugunsten schnellerer Ergebnisse beschleunigt. Aktuell warten Menschen teils vier, fünf Tage auf ihre Testergebnisse. Auch einfache standardisierte und kostengünstige Verfahren wie es Abwasseranalysen sind, sollten zum Einsatz kommen. Das alles sind Maßnahmen von denen man weiß, dass sie helfen können das Virus in seiner Ausbreitung einzudämmen. Alles Maßnahmen mit echten Mehrwert, während der Nutzen durch den Einsatz einer Tracking-App mehr als fraglich ist“, sagt Sabin Schumacher
Finger weg von Handydaten! Keine trügerische Hoffnung schüren!
Quellen/Fußnoten
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Global_Positioning_System#Genauigkeit_der_Positionsbestimmung
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/aGSM-Ortunga