Redebeitrag am 21.7.. zum „Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen“ von Stadträtin Sabin Schumacher, Beauftragte für Drogenpolitik der Piratenpartei:
Zum 28sten Mal jährt sich der Gedenktag. Und wie jedes Jahr sind wir zusammengekommen und begehen dieselben jährlichen Gedenk-Rituale. All die Jahre, immer in der Hoffnung, es würde sich etwas ändern, während unverkennbar, die Liste der Opfer vom „Krieg gegen Drogen“, der real ein „Krieg gegen Menschen“ ist, länger und länger wird.
Voller Wehmut im Herzen, trauern wir um Menschen, die uns lieb und wichtig waren – Menschen, deren vermeintliches Verbrechen aus Sicht der Politik war: Sie wählten für sich die falsche Medizin.
Dabei war es nicht immer so. Noch vor 130 Jahren war es für alle Menschen möglich, Pflanzen und Substanzen, wie z.B. Mohn, Opium und Laudanum zu gebrauchen, ohne das es ein Problem war. Niemand wurde für seinen Konsum kriminalisiert. Das änderte sich schnell im Zuge wirtschaftlicher, politischer, ideologischer und religiöser Interessen nachdem entdeckt wurde, wie leicht sich mit dem Thema Ängste wecken lassen. Schnell wurde daraus ein gesellschaftlich hochgekochtes Thema, was durch den damals aufflammenden Faschismus in Deutschland noch befördert wurde.
Und so reden wir bereits seit Jahrzehnten darüber, wie dringend sich etwas ändern muss – wie dringend wir Probleme lösen müss(t)en, anstatt auf Nebenkriegsschauplätzen die Situation für drogengebrauchene Menschen noch mehr zu verschlimmern. Dabei freuen wir uns dann selbst über Babyschritte, wie dem Versuch einer echten Entkriminalisierung von Cannabis.
Und ist das nach wie vor zu wenig!
Alle drogengebrauchenden Menschen hätten eine Entkriminalisierung verdient!
Realität ist aber, seit CDU und SPD mit Merz an der Macht sind, herrscht für Menschen, die Drogen nutzen, ein noch feindlicherer Wind als schon davor. Erneut werden alte Ängste geweckt, Menschen mundtot gemacht, stigmatisiert, verunglimpft und entrechtet.
Man muss nur seinen Blick nach Hessen richten, um zu erkennen in welche Richtung sich alles entwickelt:
In Hessen setzt die Landesregierung aus CDU-SPD, gerade AfD-Politik um, in dem sie Grundrechte ignorierend, eine weitere Stufe der Diskriminierung einläutet. Zukünftig soll es in Hessen bei der Entlassung aus psychiatrischen Fachkrankenhäusern eine verpflichtende Meldung der Person an die Polizei geben. Das bedeutet, hier werden Menschen kriminalisiert, die sich aus unterschiedlichsten Gründen therapeutisch stationär behandeln lassen. Fragt sich, ob sie das unter solchen Bedingungen in Zukunft auch noch tun werden? Und natürlich gehören aus Sicht der CDU/CSU drogengebrauchende Menschen automatisch zum Kreis psychisch erkrankter Menschen.
Das alles geschieht ohne nennenswerten Widerstand aus der SPD. Für uns zeigt sich hier das erschreckende Ausmaß einer Klassen-Politik, die nicht in Menschen investiert, die Menschen, die nicht im Sinne gut funktionierender Leistungsträgerinnen und -träger funktionieren, sehr geringschätzt.
Es zeigt auch wie sehr die CDU/CSU, und das unabhängig von eigener Regierungsbeteiligung, die anderen etablierten Parteien nicht erst seit kurzem, sondern seit Jahrzehnten politisch vor sich her treibt und wie maßgeblich der Einfluss ist mit dem die Union seit Anfang der 1980’er, Land und Haltung der deutschen Gesellschaft politisch gestalten.
Mit ihrer repressiven Drogenpolitik und Angstmacherei in der Bevölkerung, zieht sich die Politik ihre Opfer selbst heran.
Politik à la CDU: Erst werden Menschen stigmatisiert, dann entzieht man ihnen die Lebensgrundlagen, dann kriminalisiert sie. Im weiteren beklagt wird das Ausmaß der selbst geschaffenen Situation beklagt.
Die CDU/CSU kennt nur ihre Verbotspolitik und begründet sie mit Sicherheit. Sie hält an der Drogenprohibition fest. Dafür werden jegliche Erkenntnisse aus der Fachwelt dazu, seitens der Sozialwissenschaft, dem Hilfesystems und der Selbsthilfe, die die Schädlichkeit der Drogenprohibition belegen, von den Unionsparteien konsequent ignoriert in den Wind geschossen. So erhebt sich eine Partei über Menschen und ihre Grundrechte und setzt dabei einfach ihren Anspruch auf Deutungshoheit durch. In der Folge sorgt die CDU/CSU so für die Verelendung von Menschen. Sie stellt sie an den Pranger und nimmt ihnen jede Wahlfreiheit – jede Freiheit ihre Geschichte selbst zu bestimmen.
Was die Union macht, drogenpolitisch wie auch in anderen Bereichen, ist eine rigide Form der Politik, die statt Probleme zu lösen, neue Probleme schafft. Es ist eine Politik, die unter dem Vorwand „Menschen helfen zu wollen“, Menschen bevormundet, gängelt und stigmatisiert.
Was kann jeder von uns dagegen tun?
Zuerst einmal, nicht auf diese Art von Hetze hereinfallen.
Sich umfassend informieren, vor allem auch über die Selbsthilfe.
Nicht nach unten treten.
Authentische Parteien wählen, die für eine fortschrittliche, den Menschen zugewandte lösungsorientierte Drogenpolitik eintreten.
Aufpassen, wann immer polemisiert und skandalisiert wird. Immer daran denken, dass Verbote, Wegsperren und Druck niemandem hilft – sondern problematische Situationen potenzieren.
Was müssen wir kurzfristig drogenpolitisch tun?
Kommunale Frühwarnsysteme einrichten, um Trends und Veränderungen im Markt frühzeitig zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren.
Drugchecking ermöglichen
Drogenkonsumräume bereitstellen, damit Menschen in einer sichere Umgebung mit sauberen Utensilien Substanzen konsumieren können.
Naloxon flächendeckend verfügbar machen und Schulungen zum Umgang mit dem Notfallmedikament ausbauen
Opioidsubstitution für alle, einschließlich Heroin auf Rezept selbstbestimmt und barrierefrei für Menschen, die bereits körperlich auf diese Substanz angewiesen sind.