Gedenkstätte am Rathaus, Bild: CC-BY @Billow4
Gegenüber dem Lörracher Rathaus stehen seit einigen Tagen Kerzen und Blumen. Es ist eine Gedenkstätte für einen kürzlich verstorbenen, obdachlosen jungen Lörracher, der bereits seit Längerem auf der Straße lebte.
„Der Verstorbene war mir wenige Tage zuvor im Sitzen schlafend in der Grabenstraße aufgefallen. Da war etwas wie eine düstere Wolke aus spürbarer Verzweiflung und Traurigkeit, die ihn umgab und was mich davon abhielt weiterzugehen. Ich hatte einen Termin, aber egal. Hier ging es jemanden eindeutig schlecht. Das war wichtiger, also nahm ich mir die Zeit. Ich sprach ihn an und wir kamen ins Gespräch. Auch zwei Frauen mit ihren Kindern blieben stehen, fragten, ob er etwas braucht und kauften ihm dann etwas zu Essen und ein Getränk, denn er war durstig und hatte sehr großen Hunger. Er erzählte von einem nicht verkrafteten Schicksalsschlag vor gut zwei Jahren, wonach es für ihn immer weiter runter ging. Seither war er ohne Obdach. Sein Zuhause war ein Zelt im Park und zeitweilig kam er wie er erzählte, auch bei Freunden unter. Zwei Jahre kein privater Rückzugsort, der Sicherheit vermittelt.
Zwei Jahre Abhängigkeit vom Wohlwollen anderer, von Institutionen und davon, ob ihm ab und an mal jemand Obdach in den eigenen vier Wänden gewährt. Das ist eine Lebenssituation, die die Meisten vermutlich nicht gut verkraften würden.
Angehörigen und Freunden des Verstorbenen, bekunden wir an dieser Stelle unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme.
In unserer Gesellschaft kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen in Notlagen, die ihre Existenz bedrohen. Fehlt es an Ressourcen und Hilfe, endet Menschen nur allzu schnell auf der Straße.
Wir alle wissen, das Leben ist nicht fair! Aber Vieles könnte besser und fairer laufen, wenn jene, die in Schlüsselpositionen sind, ihre Blase verlassen und anders handeln würden.
Der Bund will bis 2025 400.000 Wohnungen bauen. Die Hälfte davon als sozialer Wohnungbau. Es bräuchte aber sehr viel mehr Wohnraum, denn Fakt ist, aktuell fehlen bundesweit 700.000 Wohnungen. Und wie in anderen Bereichen, geht es auch bei der Schaffung von Wohnungraum in Deutschland nicht zügig voran. Lediglich 20.000 neue Wohnungen wurden im letzten Jahr nur gebaut.
Bauen allein, reicht zudem nicht. Auch in Lörrach wird gebaut. 2500 neue Wohnungen bis 2025 sind das Ziel. Im Großen und Ganzen geht das gut voran, doch günstiger Wohnraum entsteht dabei kaum. Die meisten der in den letzten Jahren in Lörrach gebauten Wohnungen sind für viele Menschen unbezahlbar.
So lange die Stadt sich nicht eindeutig zum Ziel setzt, dass in Lörrach kein Mensch mehr auf der Straße landen soll, nicht die Entstehung preiswerten Wohnraums priorisiert und insofern auch nicht die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schafft und konsequent durchsetzt, wird sich an dem hohen Preisniveau für Wohnraum nicht viel ändern. Neubaugebiete werden weiterhin schnell zu Spekulationsobjekten. Es wäre deshalb gut, die Stadt würde, neben der Nutzung anderer Optionen, selbst (mehr) bauen, damit genug preiswerter Wohnraum entsteht, statt wie bisher immer aufs Neue städtischen Grund an Privatinvestoren zu veräußern und darauf zu hoffen, dass in der Folge günstige Wohnungen entstehen. Das ist eindeutig nicht die Lösung.
Immer wieder sterben Menschen, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum für sie gibt!
Die Stadt ist aufgefordert, ihren Weg, mit dem sie bislang versucht, der zunehmenden „Wohnungsnot und Obdachlosigkeit von Menschen in Lörrach“ zu begegnen, zu hinterfragen bei der man sich in erster Linie auf Kapazitäten der Träger in der Stadt und die der Notschlafstelle verlässt. Eine Notschlafstelle ist wichtig, aber eine Institution für den Notfall, die nicht zum Abstellgleis für Menschen werden darf.
Wohnungsverlust macht krank und endet für von Obdachlosigkeit betroffene Menschen immer wieder tödlich. Das muss ein Ende haben. Es geht um Daseinsvorsorge. Jeder Mensch braucht (s)eine Bleibe. Einen sicheren Rückzugsort.
„Housing First“ muss wie anderswo, auch für Lörrach zur Leitlinie zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in der Gemeinde werden! Das fordern wir ein! Denn auf eines ist Verlass: Der Markt wird es nicht regeln!
Versuchen wir es in Lörrach doch mal mit Mut zu mehr Risikobereitschaft, mit Ideenreichtum und vor allem, mit dem von Oberbürgermeister Lutz in seiner Rede beim diesjährigen Neujahrsempfang erwähnten „Willen zur Veränderung“. Wir sagen, keine Ausreden mehr!“ – Sabin Schumacher, Stadträtin PIRATEN/DieLINKE